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2×5 Interview mit Kamil Ivecen (Lomo + Hintz & Kuntz)

kamil1seite_web Interview David Gutsche Foto Jana Kay

Kamil Ivecen (37 Jahre)

Eigentümer von Lomo + Hintz & Kuntz

Beruf

Vor kurzem warst du mit dem Hintz & Kuntz im Mainzer Gastro-Check auf Kabel1 zu sehen und hast gewonnen. Hat sich seitdem etwas verändert?

Das war das Sendeformat „Mein Lokal, Dein Lokal“, an dem fünf Gastronomen teilnahmen. Man ist an vier Tagen Gast und an einem Abend Gastgeber und bewertet sich gegenseitig. Nach der Sendung wurde uns und den anderen sprichwörtlich die Bude eingerannt. Es war also für uns alle eine Bereicherung.

Als drei Brüder betreibt ihr das Lomo am Ballplatz und das Hintz & Kuntz am Fischtor. Wie ist euer Konzept?

2010 haben wir das Binding am Dom als Hintz & Kuntz übernommen und noch vier Monate unter dem Namen weiterlaufen lassen. Die Zeit haben wir gebraucht, um uns mit der Logistik des Hauses vertraut zu machen, an unserem Konzept zu feilen und die Stammkundschaft nicht vom einen auf den anderen Tag zu verprellen. Deswegen haben wir auch beim Mobiliar am Konzept der 60er Jahre festgehalten und zusätzlich mit unserem Lounge-Bereich die Elemente der 50er Jahre hinzugenommen. Hintz & Kuntz steht als Redewendung für Jedermann: Jeder Mann, jede Frau, jedes Kind ist bei uns willkommen. Egal, welche Altersklasse oder soziale Schicht. Das spiegelt sich auch in den Preisen wieder. Wir bieten gutes Essen zu gerechten Preisen an.

Wer kümmert sich bei euch um was?

Mein mittlerer Bruder Ötzi macht hauptsächlich das Lomo. Der jüngste Veli ist im Hintz & Kuntz zuständig. Ich switche zwischen beiden Läden hin und her. Wir beraten uns aber immer und diskutieren über alles, teilweise hitzig. Aber sozusagen im Unentschieden-Fall bin ich die letzte Instanz.

Habt ihr schon wieder neue Projekte in Planung?

Neue Ideen haben wir ständig und ausgearbeitete Konzepte liegen in der Schublade. Unser Ziel ist es, demnächst ein drittes Projekt zu machen, aber dazu kann ich noch nichts Näheres sagen.

Was gefällt dir besonders an deinem Beruf?

Ich bin seit meinem 15. Lebensjahr in der Gastronomie. Ich habe neben der Schule und dem Studium dort gearbeitet. Es war immer mein Traum und Ziel, einen eigenen Laden aufzumachen. Dieser Job liegt mir einfach. Ich komme nie mit Bauchschmerzen auf die Arbeit und erlebe jeden Tag meine Leidenschaft mit Menschen zu arbeiten, Höchstleistung zu bieten und immer gute und ehrliche Arbeit an den Gast zu bringen.

Mensch

Du bist bei den Grünen aktiv. In welcher Art und Weise?

Ich bin im Kreisvorstand bei den Grünen. Politik war schon immer mein Steckenpferd, auch schon im Studium. Das ist wahrscheinlich auch meiner kurdisch-stämmigen Vergangenheit gezollt. Seit Jahrzehnten waren und sind die Kurden in der Türkei Unterdrückung ausgesetzt. Da war der Weg zu den Grünen, denen ich politisch schon immer viel Sympathie entgegengebracht habe, nicht weit.

Wann seid ihr nach Deutschland gekommen?

Mein Vater ist 1975 nach Deutschland gekommen. Im Gegensatz zu damals hat sich die Situation für die Kurden ein klein wenig verbessert. Ich zum Beispiel verstehe Kurdisch sehr gut, kann es aber nur schlecht schreiben und sprechen. Heutzutage ist die Sprache in der Türkei nicht mehr gesetzlich verboten, man merkt aber immer noch, dass es Spannungen gibt. Ich fühle sehr stark mit der Türkei, auch die Gezi-Proteste im letzten Jahr sind mir nahe gegangen. Deutschland ist zwar meine Heimat, ich lebe hier und bin Deutscher, fühle mich aber beiden Ländern sehr verbunden. Mein Wunschtraum für die Türkei ist eine Demokratie, wie wir sie hier in Deutschland haben, denn die Türkei ist finanziell und kulturell ein vielfältiges und reiches Land. Für den 4. Oktober haben wir übrigens im Lomo eine Benefiz-Veranstaltung zum jüngsten Völkermord an Kurden im Nordirak durch die ISIS. Der Erlös geht an eine jesidische Organisation.

Wie stehst du zum Ukraine-Konflikt?

Ich bin in der Hinsicht gespalten. Der Konflikt ist seitens des Westens falsch angegangen worden. Man hat auf Provokation und Aggression gesetzt, anstatt das Problem mit Russland an einem Tisch zu lösen. Dadurch ist dieser Konflikt aus dem Ruder gelaufen und in gewissen Punkten nicht mehr rückgängig zu machen. Was ich dabei erschreckend finde, ist dass die Sache nicht weit von uns entfernt liegt. Daher wünsche ich mir, dass sich der Westen, Russland und die Ukraine gemeinsam hinsetzen und gewollt guten Mutes an die Sache herangehen, anstatt sich gegenseitig Schuldzuweisungen zu machen. Denn ich denke nicht, dass es in diesem Konflikt Gut und Böse gibt, sondern beide Seiten haben ihren Anteil.

Warum Mainz?

Mainz ist überschaubar. Es ist nicht groß, nicht klein, man hat alles hier. Die Menschen sind ein geselliges, treues Völkchen. Es ist eine lebensbejahende, offene und internationale Stadt. Die vielen Studenten aus der ganzen Welt spiegeln sich auch in der Alltagskultur wider. Seit circa vier bis fünf Jahren ist weniger der Fluchtgedanke bei jungen Menschen zu spüren. Absolventen und junge Leute bleiben hier und bauen sich eine Zukunft auf. Dazu gehört viel Mut, aber das bringt die Stadt nach vorn.

Und was gefällt dir hier nicht so sehr?

Dass junge Menschen oft noch zu wenig Gehör finden bei neuen Ideen. Auch deswegen bin ich politisch aktiv geworden. Seit 13 Jahren leiste ich Kulturarbeit mit dem Lomo und habe mir dadurch natürlich ein Netzwerk gebaut, mit dem ich arbeiten kann. Kultur, Kultur, Kultur! Das ist wichtig für eine Stadt.