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Alles Müll – Über den Müll von und aus Mainz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

von Regina Roßbach
Fotos: Elisa Biscotti

Meist denkt man nicht über ihn nach. Und ist froh, dass sich jemand anderes drum kümmert. Dabei kann es spannend sein, beim Mainzer Müll und seinen Entsorgungswegen einmal genauer hinzusehen.

Es ist immer schön, wenn etwas leicht verständlich ist. Man freut sich beispielsweise, nach einem Picknick im Stadtpark seine Obstreste guten Gewissens ins Gebüsch pfeffern zu können. Jeder weiß, dass aus organischen Abfällen einfach wieder Erde wird. Eine Genugtuung, diesem schön nachvollziehbaren Kreislauf des Lebens mit einer Apfelkitsche unter die Arme gegriffen zu haben … Leider ist die Sache mit dem Müll nicht immer so einfach. Sie ist sogar so kompliziert, dass die meisten Mainzer es aufgegeben haben, sich überhaupt zu fragen, was mit ihren Abfällen passiert. Schade, denn das Mainzer Müllsystem gleicht zwar einem Labyrinth, doch es kann interessant sein, näher hinzusehen: Wertstoffhöfe, Sperrmüll, Hundekotmobil, Mülltrennung und Schadstoffentwertung – schon die Entsorgungswege sind denkbar komplex, aber gleichzeitig spiegelt sich darin unsere Lebensweise. „Unser Leben ist eben so kompliziert“, sagt Thomas Strack von den Mainzer Entsorgungsbetrieben. Schließlich mögen wir es, Joghurt nicht nur in Gläsern, sondern auch in Plastikbechern verschiedener Farbe und Größe zu kaufen. Kleidung kaufen wir jedes Jahr neu und unsere Wohnungen gestalten wir am liebsten in regelmäßigen Abständen um. Der bunte Strauß unserer Produkte bedeutet auch ein Sammelsurium verschiedener Verpackungen und in der Konsequenz einen immensen Entsorgungs-Apparat.

Sinn und Unsinn des Mülltrennens

Fangen wir bei unserer heimischen Müllsortierung an: Restmüll, Papier und Glas trennen die meisten. Aber an den gelben Sack glauben nur noch wenige. Böse Gerüchte besagen, am Ende werde sowieso der gesamte Müll vermischt. Die Wahrheit ist, dass nur der Abfall, den wir trennen, überhaupt die Chance hat, recycelt zu werden. Der normale Restmüll wandert sofort ins Müllheizkraftwerk am Rhein. Dort wird er unter Stromgewinnung verbrannt. Sicher ist energetische Müllverwertung wie diese besser als die Ablagerung auf einer Deponie, doch noch besser wäre eine stoffliche Verwertung: Recycling. Deshalb sollten Glas und Pappe möglichst in die richtigen Tonnen wandern. Diese Stoffe lassen sich in einfachen Verfahren wieder in neue Formen bringen.
Andere Verpackungen landen im gelben Sack, vor allem Metalldosen und Plastiktüten. Thomas Strack erklärt, dass die Mainzer Entsorgungsbetriebe sich zwar auch um die Abholung der gelben Säcke kümmern, doch diese Kosten sind unabhängig von der Müllgebühr. Für Transport und  Weiterverarbeitung der gelben Säcke bezahlen ausschließlich die „dualen Systeme“ – heute gibt es mehrere davon. Denn die Verpackungsverordnung schreibt vor: Der Hersteller – beispielsweise einer Erbsendose – muss bei einem von insgesamt zehn verschiedenen zugelassenen Unternehmen für die spätere Wiederverwertung der Verpackung aufkommen. Und am Ende zahlt das natürlich wiederum der Verbraucher. Jedenfalls wäre es aus der Perspektive der Müllabfuhr laut Strack „wirtschaftlicher Schwachsinn“, die gelben Säcke mit dem Restmüll zu vermischen: Erstens ist dieser der teuerste Posten überhaupt, und zweitens würde man sich dann das Geld der dualen Systeme einfach entgehen lassen.
Es gibt also gute Gründe, sich mit dem gelben Sack (wieder) anzufreunden. Ihm noch ein Tönnchen für Bio-Abfälle an die Seite zu stellen, ist auch kein schlechter Gedanke. Denn so können Banane und Co. vor dem Heizkraftwerk gerettet und stattdessen im Humuswerk in Essenheim zu Kompost verarbeitet werden – wo man sie für wenig Geld übrigens wieder zurückkaufen und seinen Balkonkasten damit befüllen kann. In Mainz gehört die Biotonne zwar nicht zum Standardinventar, jeder Hauseigentümer kann sie aber gegen eine einmalige Gebühr erhalten. Ist der Eifer einmal geweckt, könnte man noch einen Gedanken an die Korkeichen in Portugal verschwenden. Die werden nämlich geschont, wenn wir den wertvollen Kork nicht einfach im Restmüll entsorgen, sondern bei einer von zahlreichen Sammelstellen abgeben, zum Beispiel beim UmweltInformationsZentrum in der Dominikanerstraße. Dort gibt es auch Informationen zu allen anderen wertvollen Stoffen, die man gesondert entsorgen sollte, um die Umwelt zu schonen.

Die Reise des gelben Sacks
Und was passiert nach dem eifrigen Trennaufwand zu Hause? Die Entsorgungsbetriebe sind sozusagen der Baumstamm des Müllkreislaufs. Sie kümmern sich um die Abholung bei den privaten Haushalten und betreiben die Wertstoff- und Recyclinghöfe. In der Müllgebühr ist auch Sperrmüll-und Christbaum-Abholung enthalten. Einen kritischen Blick auf die Höhe der Müllgebühren wirft übrigens ein sensor-Artikel aus Juni 2011, zu finden auf www.sensor-magazin.de.
Nach dem Abtransport verzweigt sich das System in zahlreiche verschiedene Wege. Das Müllheizkraftwerk oder der Bioabfallverwerter „veolia“ sind nur zwei der zahlreichen externen Unternehmen, die das Ganze dann weiterverarbeiten. Die Mainzer gelben Säcke kommen zur Firma Meinhardt in Ginsheim-Gustavsburg. In einer großen Halle voller stinkender, wabernder Müllberge steht eine komplexe Sortieranlage. Eine Walze reißt die Säcke auf, deren Inhalt dann auf großen Laufbändern in verschiedenen Schritten auseinander sortiert wird. Das funktioniert zum Teil magnetisch, aber am Ende auch von Hand: Jede einzelne Plastikflasche wird dort von Mitarbeitern in große Tonnen sortiert. Sollte also einmal irrtümlich eine müffelnde Babywindel im Sack gelandet sein, dann muss sie an den Nasen dieser Sortierer vorbei. Insgesamt sind circa zwanzig Prozent des Inhalts in den gelben Säcken Fehlwürfe, erklärt Dennis Göttert, Mitarbeiter bei Meinhardt und studierter Energie-, Gebäude- und Umweltmanager. Die „Fehlwürfe“ sind zum Teil zwar wiederverwertbares Material, für das aber niemand Gebühren bezahlt hat, weil es sich nicht um lizenzpflichtige Verpackungen handelt. Auch das muss von den dualen Systemen einkalkuliert werden. Am Ende bleibt von den gelben Säcken trotz allem ein Sortierrest, der nur noch verbrannt werden kann.

Schutz unseres Planeten
Wenn Helmut Krukow seinen Müll trennt, tut er das nicht aus Gehorsam oder Angepasstheit. „Als Biologe war ich immer daran interessiert, diesen wunderbaren Planeten nicht allzu stark zu belasten“, sagt er. Er kann genau erklären, welche Stoffe von Bakterien und Pilzen zersetzt werden können und dass auch Erdöl nichts anderes ist als recycelte Wälder, Milliarden von Jahren alt. „In jedem Liter Luft ist mindestens ein Atom von Jesus“, philosophiert er – am Ende ist die Materie auf unserer Erde schließlich begrenzt und alles hängt mit allem zusammen. Aus seiner Perspektive erscheint das Thema Müll in einem anderen Licht. Helmut ist es ein inneres Bedürfnis, die Zusammenhänge der Erde zu verstehen und danach zu handeln. Er durchschaut die labyrinthischen Wege unseres Abfalls wie nur wenige – und ist vom System der Mülltrennung voll überzeugt. Auch dass er Flaschen sammelt, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, versteht er als un-terstützenden Beitrag. Jede Flasche ist für ihn ein kleines, persönliches Erfolgserlebnis und ein wenig Materie, die er dem Stoffkreislauf wieder zurückgeben kann.

Vermeidung an oberster Stelle
Dennis Göttert von Meinhardt und Thomas Strack von den Entsorgungsbetrieben werden nicht müde, das oberste Prinzip unseres Abfallgesetzes zu betonen: „Vor Recycling kommt Müllvermeidung.“ Denn die Umwelt wird durch jedes Stück, das wir wegwerfen, auf irgendeine Weise belastet: Transport- und Energiekosten fallen in jedem Fall an. Als Gegenmaßnahme könnte man sich mal wieder eine hübsch gemusterte Brotdose zulegen, statt jedes Gürkchen mit Alufolie zu umwickeln. Auch Stofftaschen einzustecken und nicht jedes Mal eine Plastiktüte zu kaufen, wäre ein guter Schritt. Es kostet nichts, einmal im Freundeskreis herumzufragen, ob Kleidung oder Möbel noch jemand gebrauchen kann, bevor man alles entsorgt. Und auch bei gemeinnützigen Stellen kann man Gebrauchtes abgeben: Möbel und Hausrat bei der SPAZ, Computer bei z@ack e.V. und Kleidung im oxfam Shop.
Thomas Strack erklärt, dass es wahrscheinlich am besten wäre, alle Produkte in identische Glasbehälter zu füllen und auf Plastik als Verpackung ganz zu verzichten. Viele fänden die Supermarktregale dann aber langweilig. „Das Stichwort lautet ‚Produktverantwortung’“, meint Strack. Die Hersteller seien aufgerufen, über sinnvolle Verpackungen nachzudenken, mit denen die Umwelt nicht belastet wird.

Zu nichts mehr gut?

Das war auch der zündende Gedanke für TerraCycle: Kein Produkt muss zu Müll werden. Als damals 20-jähriger Princeton-Student hat Tom Szaky 2001 das Unternehmen gegründet – mit dem Ziel, neue Lösungen gerade für Abfälle zu finden, die zuvor als nicht recyclebar galten. Seit kurzem befindet sich die erste TerraCycle-Niederlassung Deutschlands hier in Mainz im Malakoff-Park. Im Auftrag von Unternehmen, deren Produkte sonst ungenutzt in der Verbrennungsanlage enden würden, sucht man dort nach Wegen, alte Windeln, leere Trinkpäckchen oder Druckerpatronen neu zu verwerten. Manchmal kann man die Dinge dann einfach „upcyclen“, wenn Verpackungen zum Beispiel zu Taschen werden – oder Materialen werden voneinander getrennt und anders nutzbar gemacht. Ziel des Ganzen ist aber nicht das neue Produkt, sondern Szaky will generell das Image von gebrauchten Materialien ändern: Müll nicht nur als Müll verstehen, sondern den Wert erkennen, der darin steckt. Jeder kann mithelfen, indem er sich auf der Homepage für eines der TerraCycle-Programme anmeldet und beim Sammeln hilft. Dafür gibt es Spendengeschenke oder Gutschriften, mit denen gemeinnützige Vereine unterstützt werden können. Am Stifte-Sammelprogramm nehmen schon über 300 Unternehmen, Schulen und Organisationen teil. Über 82.000 Stifte konnten so von Müllverbrennungsanlagen ferngehalten werden.

Und irgendwo am Horizont lockt die Hoffnung, es könne in Zukunft gar keine Müllvernichtung mehr geben, sondern nur noch ein Zirkulieren von Rohstoffen. Auch von den Mainzer Müllexperten haben wir diesen Wunsch vernommen. Denn Müll ist nicht einfach nur sinnloses Überbleibsel unserer Konsumgesellschaft, er ist mittlerweile auch ein Milliardengeschäft. Woran man da denkt? Natürlich an mafiöse Zustände in der Abfallwirtschaft, erbitterte Preiskämpfe und dunkle Machenschaften im Kampf um knappe Rohstoffe. In dieser Hinsicht haben wir jedoch nichts Heikles gefunden. Aber wie gesagt: Das weit verzweigte Müllsystem kann wohl niemand bis ins Letzte durchschauen.

Ministerin Lemke und Dezernentin Eder sammeln Elektro-Abfall

Ministerien, Staatskanzlei und der Entsorgungsbetrieb der Stadt Mainz untersuchen in
einem Pilotprojekt, wie die Erfassung von Elektro(nik)kleingeräten gesteigert werden
kann. Die zuständige Wirtschaftsministerin Eveline Lemke und die Mainzer
Umweltdezernentin Karin Eder stellen die speziellen Sammeltonnen bei einem
Fototermin vor und erläutern den Wert des Recyclings etwa von alten Handys,
Föhngeräten, Toastern oder Rasierappararten.

am Donnerstag, 28. Juni, um 11.30 Uhr
im Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung (Foyer), Stiftsstraße 9, 55116 Mainz.

Das Pilotprojekt soll zeigen, ob die getrennte Erfassung von Elektrokleingeräten am
Arbeitsplatz angenommen wird und für Kommunen umsetzbar ist. In Deutschland
werden jährlich ca. 140.000 Tonnen Elektrokleingeräte über die Restabfalltonne
entsorgt oder im Keller gehortet. Gerade in Zeiten zur Neige gehender natürlicher
Rohstoffe bekommt die Rückgewinnung von Sekundärrohstoffen, die diese Geräte
bergen, große Bedeutung.