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2nd Hand- und Vintageläden in Mainz


von Sarah Becker & Ann-Christin Eikenbusch, Fotos: Jana Kay

Weitergeben statt wegschmeißen. Vintage ist, neben der Liebe zur Nostalgie, vor allem ein kleiner Schritt gegen die Wegwerfgesellschaft, von der sich in Zeiten des Konsumwahns und Überflusses doch nur die Wenigsten freisprechen können. Und noch dazu ist Vintage eines: Speziell, individuell, einzigartig. Produkte mit echtem Lieblingsstück-Faktor eben. sensor hat einige der Einrichtungen unter die Lupe genommen, die sich auf genau dieses Prinzip spezialisiert haben.
Brockenhaus Mainz (Boppstraße 4)
Erster Eindruck / Atmosphäre: Abseits der rummeligen Boppstraße versteckt sich dieses kleine verwunschene Häuschen gemütlich im Hinterhof. Schon vor dem Eingang wird man mit allerlei Nippes begrüßt, nebenan scheinen in einem Schuppen alte Fahrräder wieder auf Vordermann gebracht zu werden. Beim Betreten des Brockenhauses (dessen Bezeichnung für Gebrauchtwarenhäuser übrigens aus der Schweiz des 19. Jahrhunderts stammt) knarzt der alte Dielenboden, aus der Ecke trällert ein altes Grammophon. Die Schatzsuche kann beginnen: Fast 300 qm Fläche, aufgeteilt auf drei Etagen, machen das Stöbern zum echten Vergnügen und versetzen im Nu in eine nostalgische Stimmung.
Sortiment / Preisspanne: Das Erdgeschoss hält allerlei Krimskrams, Bücher, Bilder und Kuriositäten bereit. Im Keller verstecken sich (meist) Vollholzmöbel aus den letzten 100 Jahren sowie tolles Geschirr und das eine oder andere nützliche Küchengerät. Ein echtes Bücherparadies, vorsortiert in 16 Fachgebiete, erwartet uns neben einigen Elektrogeräten und Schallplatten im Obergeschoss. Vom leichten Taschenbuch bis hin zu wertvollen Kunstbänden und alten Notenheften ist hier alles zu finden. Der Preis ist sehr günstig, fair gehalten und damit ideal für den schmalen Geldbeutel.
Selbst verkaufen? Ja. Nach Terminabsprache kann man seinen gesamten Haushalt entrümpeln oder gar auflösen und zu einem abgesprochenen Festpreis abholen lassen.

Janablume (Scharngasse 18)
Erster Eindruck / Atmosphäre: Strahlend steht Jana in ihrem Mädchentraum aus Weiß und Rosa. Wir sind auf Anhieb angesteckt von ihrer Freude und fühlen uns wohl in ihrer Wohnzimmer-Atmosphäre. Sofort bekommen wir eine Führung durch den begehbaren Kleiderschrank und gelangen über eine Wendeltreppe hinab in das gemütliche Kleidergemach. Zusehends füllt sich der winzige Laden (kurz vor der Eröffnung am 1. Juni) mit Leben: sorgfältig vorwiegend in Berlin ausgesuchte Kleider aus den letzten Jahrzehnten, Accessoires, Wecker, Radios, Uhren, Schmuck. „Kann man alles kaufen“, flötet Jana und zeigt uns mit Leidenschaft und Enthusiasmus die wunderbaren Stoffe, die sich luftig und übersichtlich präsentiert aneinanderreihen. Zu jedem Lieblingsstück weiß sie eine kleine Geschichte zu erzählen. Sobald die Vintageteile ihren Weg zum Laden gefunden haben, dekoriert Jana sie mit viel Liebe (auf den Bügel) und gesteht, manchmal vielleicht sogar etwas wehmütig: „Ich biete nur an, was ich selbst auch kaufen bzw. tragen würde.“ Zukünftig gibt es drinnen wie auch draußen ein Sitzbänkchen für die vom nahen Markt(geschehen) erschöpften Herren, die sich die Wartezeit mit frisch gebrühtem Kaffee verschlürfen können.
Sortiment / Preisspanne: Preisgünstig, säuberlich sortiert und von guter Qualität – zwischen 15 und 25 Euro je nach Artikel.
Selbst verkaufen? Nein. Jana freut sich aber über Angebote, in privaten Kellern nach Schätzen zu graben und sie in ihrem Laden zum Verkauf anzubieten. (Öffnungszeiten: samstags ab 9 Uhr bis open end; Tel.:  0177/59 60 165, Webshop: de.dawanda.com/shop/janablume)

Mainzer Antikladen (Adolph-Kolping Str. 15)
Erster Eindruck / Atmosphäre: Der Flyer bewirbt den Laden mit „Kitsch, Kunst und Krempel“. Die Flohmarktatmosphäre empfängt uns bereits vor der Tür mit Wühlkartons zu günstigen Preisen, die den Weg in den Laden säumen. Eine Begrüßungsglocke bimmelt und wir tauchen ein in eine Fülle von Glasvitrinen, Keramik, Vasen, (Silber-)Besteck, geschliffenen Gläsern und Schmuck. Die Wände hängen voll mit allerhand Nippes, teilweise noch Abzeichen aus Wehrmachtszeiten und man weiß gar nicht, wohin man seinen Blick zuerst richten soll. Trotzdem ist der Laden sehr weitläufig. Ein ellenlanger Flur, gespickt mit Gemälden, Spiegeln und Familienfotos fremder Menschen mündet in ein großes Möbellager. Meterhoch stapeln sich hier antike Schätze (Schränke, Tische, Sofas, Sessel, Stühle, Couchtische, und, und, und…), die aber auch ihren Preis haben.
Sortiment / Preisspanne: Bilder, Möbel, Teppiche, Geschirr, Schmuck und Lampen findet man hier gut erhalten. Schwere Eiche rustikal steht neben der Weichholzkommode und Opas alter Ohrensessel lädt gern zur Sitzprobe ein. Die Preise bewegen sich von günstig und überschaubar bis hin zu durchaus üppig.
Selbst Verkaufen? Ja. Vom Keller bis zum Dachboden wird das eigene Haus besenrein entrümpelt und ein fairer Preis für die Ware ausgehandelt.

second hand (Neutorstr. 37)
Erster Eindruck / Atmosphäre: Hier ist es aufgeräumt und gemütlich und wir haben ein wenig das Gefühl, von den Blicken der Verkäuferin begleitet zu werden, was sicherlich der übersichtlichen Größe des Ladens geschuldet ist. Die schlichten, aber vornehmen Glasvitrinen sind ein Blickfang und setzen Schmuck und Sonnenbrillen der vergangenen 50 Jahre gekonnt in Szene. Hierher verirrt sich bestimmt auch mal der eine oder andere Hipster, könnte man meinen. In drei Bereiche geteilt, wandelt man zunächst durch das Damenfoyer mit einem reichhaltigen Angebot an prall gefüllten Kleiderständern, die nach Kategorie und Farbe sortiert sind, und verkrümelt sich anschließend in die Accessoires- und Anprobeecke. Die Besitzerin scheint ein besonderes Faible für Lampen aus den vergangenen Jahrzehnten zu haben. Ausgewählte Taschen und Schuhe, stylische Gläser und Geschirr sowie ein großes Angebot von Jacken und Blazern gesellen sich dazu, alles – versteht sich – besonders stilvoll. Im hinteren Bereich des Ladens dürfen sich Männer in ihrer eigenen Welt tummeln.
Sortiment / Preisspanne: Der erste Blick auf die Preisschildchen, die einem Preis, Kleidergröße und Zustand des jeweiligen Artikels (gebraucht/ neu) verraten, zeigt uns: Unsere Geldbeutel sollten etwas voller sein, hier herrscht keine Flohmarktatmosphäre. Dafür kann man sich darauf verlassen, dass die gebrauchte Ware in einem sehr guten Zustand ist. Auch bei der guten Plattenauswahl zu fairen Preisen wird man gleich fündig.
Selbst Verkaufen? Ja. Man bringt seine alten Stücke immer freitags in den Laden. Die Besitzerin pickt dann eigenhändig die stilvollsten Juwelen heraus macht ein Preisangebot. Wenn man damit nicht zufrieden ist, kann man auch ein Tauschgeschäft vorschlagen: 5 Lederschuhe gegen die kleine gelbe Lampe da im Regal, mit der ich schon seit Wochen liebäugele, sie mir für 60 Euro aber bislang zu teuer war.

City Floh (Wallaustr. 31)
Erster Eindruck / Atmosphäre: Leuchtstoffröhren und Supermarktatmosphäre laden auf den ersten Blick nicht wirklich zum Trödeln ein. Wir betreten den Laden und werden gleich ein bisschen von den Verkäufern beäugt, macht aber nix, denn wir biegen ab und verschwinden zwischen zahlreichen, gleichgroßen, durchnummerierten Regalen. Wir sind nicht sofort begeistert von der Auswahl an Kleinteilen, die man nicht wirklich braucht. Aber es lohnt sich zu stöbern. Der gut erhaltene Wanderrucksack von Deuter hängt neben dem grünen Bobbycar und einem scheinbar fahrtüchtigen Rennrad, wie sie durch die Neustadt klappern. Einiges an Elektronik findet sich, vorwiegend Hifi-Türme, Toaster, Waffeleisen und Sandwichmaker. Je nach Regal ist die Ware ansprechend und in besserer oder schlechterer Qualität. Im hinteren Teil des Ladens gibt es noch ein Klamotten- Séparée. Es müffelt ein wenig und nach einem kurzen Schlenker vorbei an den prall gefüllten, nicht wirklich reizvollen Kleiderständern, wenden wir uns lieber dem Brummkreisel aus Kindertagen zu. Sind wir eben nicht auch noch an einem Mix aus Gitarre und Cajon vorbeigekommen? Es lohnt sich also doch, die Zeit zu vertrödeln und besondere Schmuckstücke zu Flohmarktpreisen hervorzuholen. Bald ist noch ein Cafébetrieb geplant, die notwendige Maschine steht schon bereit und nebenan öffnet in Kürze das neue Café der Mädels vom „Bauwagen“.
Sortiment / Preisspanne: Die Preise sind recht unterschiedlich und werden von dem Verkäufer, der das Regal angemietet hat, bestimmt. Das meiste bewegt sich in einem erschwinglichen Rahmen.
Selbst Verkaufen? Ja. Denn nur so funktioniert der Einkauf hier: Als Privatmensch mietet man sich ein Regal und stopft hinein, was die drei Etagen tragen können. Die Miete staffelt sich je nach Dauer: 1 Woche kostet 15 Euro plus 20 % Provision, 2 Wochen 20 Euro plus 20 % Provision; 80 % des Preises der verkauften Artikel gehen an den Eigentümer.

Weitere Adressen
Repaircafé (Haus der evangelischen Kirche, Kaiserstraße 37)
Free Your Stuff (www.facebook.com/ groups/freeyourstuffMAINZ)
Krempelmarkt (Rheinufer, 1. und 3. Samstag im Monat)
Wanzenmarkt (Feldbergplatz, nächste Termine am 8. Juni & 13. Juli)
Kleidertauschbörse im PENG