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Der König der Trommler

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Text David Gutsche  Foto Katharina Dubno

Da, wo er auftaucht ist Rhythmus angesagt. Clinton Heneke und seine Bongos sind das I-Tüpfelchen auf jeder Party. Ob als Musiker beim Absinto Orkestra, bei diversen Jam-Sessions, überall wo alternative (Live)Musik zu sehen und hören ist, sticht er hervor. Man nannte ihn auch einmal den schnellsten Trommler Kapstadts. Doch wer steckt dahinter? Dass Clinton aus Südafrika kommt, ist einigen geläufig – nicht aber, warum er die Perle am Atlantischen Ozean freiwillig gegen die vom Rhein eintauschte. Oder war es vielleicht doch nicht so freiwillig …?

1978 erblickt der kleine Clinton mit einem wilden Schrei als jüngster von fünf Brüdern das Licht der Welt. Seine Mutter arbeitete im Textil-Gewerbe, der Vater war quasi Musiker. Nur quasi, denn zur Zeit der Apartheid war es für Schwarze in Südafrika kaum möglich, eine Karriere in der Musik zu beginnen. Und so verdiente er seine Brötchen als Grafik-Designer. Trotzdem gab es kaum einen Jazz-Song, der er nicht auswendig kannte und Clinton auf Stichwort in der Lage war, vorzusingen.

Ende der Apartheid

Während Clintons Adoleszenz ging es mit der Apartheid bergab. In der Highschool kam er auf die erste gemischte Klasse Südafrikas: „Es gab nur weiße Lehrer und die älteren Schüler waren alle weiß. Das war super, ich habe keine Unterschiede gespürt.“ Es war die Blütezeit Südafrikas. Mandela wurde 1994 zum Präsidenten gewählt, da war Clinton 16 Jahre alt. „Das ganze Land war im Fieber, überall Party“ – und Party bestimmte fortan auch sein Leben. Das nötige Kleingeld verdiente er sich als Straßenmusiker, lernte hier und dort das Trommeln, auch in verschiedenen Clubs und auf Festivals: „Ich hatte schnell einen Namen in Kapstadt. Man nannte mich den schnellsten Trommler. Und den verrücktesten. Überall hatte ich meine Trommel dabei“, berichtet er stolz.

Dann kamen die Zeiten von Rave und Trance: „Das war verrückt. In Kapstadt wurde viel experimentiert. Es war wie Woodstock“, erinnert sich Clinton. Die Partys arteten auch ein wenig aus: „Irgendwann stand ich mitten auf dem Dancefloor auf einer Trance-Party und dachte nur noch: Was mache ich eigentlich hier?“ Daraufhin änderte er sein Leben schlagartig und fokussierte sich stärker auf das Musikmachen, hauptsächlich Jazz und Welt-Musik. „Irgendwann habe ich gezählt und da waren es mehr als 1.000 Bands, für die ich gearbeitet habe.“

Die große Reise

Im Alter von 23 bis 26 absolvierte Clinton die meisten Auftritte. In dieser Zeit lernte er auch die Deutsche Melly (Name geändert) kennen, Sozialpädagogin aus Mainz-Kastel, die in Afrika zu Forschungszwecken unterwegs war. Beide wurden ein Paar, aber ein halbes Jahr später ist sie plötzlich weg: „Das war sehr schwer.“ Doch kurze Zeit später folgt ein überraschender Anruf aus Deutschland: „Ich bin schwanger“ – und Clinton happy. Er will zu ihr, doch die Visa-Regelungen sind schwierig für Südafrika. Also kommt Melly wieder herunter geflogen, es wird geheiratet und im Sommer 2004 sitzt Clinton im Flugzeug nach Mainz-Kastel und freut sich auf seine Tochter und viele neue Auftritte. Die sind in Kastel jedoch zunächst spärlicher gesät, als er sich das in seinen Träumen vorgestellt hat. Und dann auch noch der Winter: „Mit drei Jacken und ohne ein Wort deutsch bin ich da herumgelaufen mit meiner Trommel unter dem Arm“, lacht Clinton. Tochter Nummer eins kommt wohlbehalten auf die Welt. Knappe drei Jahre später folgt Tochter Nummer zwei. Vater und Mutter sind stolze Eltern und ziehen ihre Mädchen gemeinsam groß. Auch wenn sie heute nicht mehr zusammen sind, bleiben sie „beste Freunde“.

I will survive

„Ich habe überlebt und ich weiß, was ich geschafft habe“, sagt Clinton heute. Die großen Bühnen von Kaptstadt hat er (gerne) gegen Mainz eingetauscht. Auch wenn es „die Musik, die ich mache, hier so nicht gibt.“ Aber der Respekt von wenigen Zuhörern sei ihm wichtiger als der große Erfolg. Und: „Mainz finde ich total cool. Man braucht nicht immer nur Hektik. In Kapstadt war auch jeder nur in seinem kleinen Bezirk unterwegs. Ich mag nicht groß.“ Seinen Lebensunterhalt verdient er derzeit mit kleinen Konzerten, aber auch mit Kinder-Musicals, u. a. mit Rolf Zuckowski. In Mainz kann man ihn vor allem auf den Absinto Orkestra Konzerten bewundern oder bei der Partyreihe „Raumschiff Bucharest“ im Baron auf dem Campus. Daneben formt Clinton seine neue Band, die „Afro Cuban Tigers of India“. Hier ist der Name Programm: Afro Beat, kubanische Rhythmen mit indischen Einflüssen, performt von zwölf bis 13 Musikern, weitere Auftritte werden demnächst bekannt gegeben. So kann es gehen. Von Kapstadt nach Kastel. Und die ganze Wahrheit kennt nur Clinton.

Clinton hat über die Jahre eine wahnsinnige Menge an Trommel-Wissen angesammelt. Das will er nun weitergeben: Jeden Mittwoch von 20 bis 22 Uhr finden offene Stunden in der „Akademie für Weltmusik“ (Neutorstraße 10) statt – Privat-Audienz beim König der Trommler