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Little China in Mainz

Text: Heidrun Fleischer
Fotos: Daniel Rettig

Es ist nicht Chinatown in New York, aber ein bisschen vom Reich der Mitte gibt es auch bei uns. sensor macht sich auf die Suche

Kein Einheitsgeschmack: Shanghai Garden
„Machen wir unser Hobby zum Beruf“, dachten sich Herr und Frau Yu und eröffneten vor fünf Jahren das Chinarestaurant Shanghai Garden in Finthen. Beruflich viel im Ausland unterwegs, ärgerte sich Herr Yu bei seiner Rückkehr jedes Mal darüber, dass das chinesische Essen hierzulande irgendwie doch kein chinesisches Essen ist. Zu sehr ist es dem europäischen Geschmack angepasst. Darum lautet sein Prinzip: „Keine Köche,die bereits in Deutschland gekocht haben!“ Gekocht wird im Stil der traditionellen Shanghaier Küche. „Sie ist die berühmteste überhaupt“, erklärt Herr Yu. Die Köche der „Hu Chai“, der Küche des Ostens, schauen sich in den umliegenden Provinzen um und verfeinern deren Gerichte dann – und das sogar mit Wein.
„Bei uns wird alles frisch eingekauft und zubereitet. Das ist das A und O in der chinesischen Küche!“ Dosen und Päckchen kommen nicht in Frage. Fast food und „Einheitsgeschmack“ findet man im Shanghai Garden nicht. Essen braucht seine Zeit.
Eine Besonderheit dieses Restaurants: Die Gäste dürfen selbst Hand anlegen. In regelmäßigen Kochkursen lernen die Teilnehmer, wie man Teigtaschen zubereitet, das Fleisch schneidet und mit dem Wok umgeht. Die Anregung zu den Kursen kam von den Gästen selbst. „Viele Leute haben gefragt, wie man dies und das zubereitet“, erzählt Herr Yu.

Dass das Shanghai Garden bereits fest mit der Stadt verbunden ist, erkennt man bei einem Blick in die Speisekarte. So speziell die Auswahl der Gerichte ist, so regional ist das Weinangebot: „Ich bin stolz, als einziger Chinese weit und breit die besten Weine anbieten zu können“ – ausschließlich die des Weingutes der Stadt Mainz.
www.shanghaigarden.de


ni hâo in der BBS III
Jeden Samstagvormittag findet in den Räumen der Berufsbildenden Schule III ein etwas anderer Unterricht statt. Es wird Chinesisch gelehrt und gelernt. Der Verein Mainzer Chinesische Schule e.V. (MCS) veranstaltet hier seine Sprachkurse für chinesische und deutsche Schüler. Für chinesische Schüler? Genau, denn der Verein wurde 1998 aus einer Initiative chinesischstämmiger Eltern heraus gegründet, denen es wichtig war, dass ihre Kinder auch fernab der Volksrepublik Chinesisch sprechen und schreiben lernen. In der Region ist dies das einzige Angebot dieser Art. Kamen anfangs noch ausschließlich chinesische Schüler, wird heute auch Chinesisch als Fremdsprache angeboten. Xiaohong Yang, die Vorsitzende des Vereins, freut sich, dass in den vergangenen Jahren der Zuspruch auch unter der deutschen Bevölkerung stetig gestiegen ist. Inzwischen werden neun Klassen auf verschiedenen Sprachniveaus unterrichtet. „Die Tendenz ist steigend“, sagt Yang. Für derzeit 88 Schüler finden Kurse in den Unterrichtssprachen Deutsch und Chinesisch statt. Wir achten sehr darauf, dass die Kurse klein bleiben“, betont sie und fügt hinzu: „Chinesisch kann man nicht so einfach lernen.“ Wer sich einen ersten Eindruck verschaffen will, der kann an einem dreiwöchigen Schnupperkurs teilnehmen.
Traditionelle Feste werden in dem Verein gemeinsam gefeiert. Für das chinesische Neujahrsfest, das im kommenden Jahr auf Anfang Februar fällt, bereiten alle Klassen einen kleinen Beitrag vor – ein chinesisches Lied, eine Geschichte oder ein Gedicht. So lernen die Schüler auch etwas über die chinesische Kultur.
www.mainzer-chinesische-schule.de


3.000 Jahre alt und doch aktuell: TCM
Das Geschäft von Dongqing Liu am Ballplatz ist auf den ersten Blick kaum als Praxis zu erkennen. Durch die großen Schaufenster fällt kaum Licht. Patienten sollen sich bei Frau Lui sicher fühlen. Seit fast sieben Jahren praktiziert sie hier Traditionelle Chinesische Medizin (TCM). „Die TCM sieht den Menschen als Ganzes. Dieses Konzept setzt sich auch in der westlichen Medizin immer mehr durch“, erklärt Dongqing Liu und verweist damit auf die Aktualität dieses Ansatzes.
Sind die gegensätzlichen Energieströme Yin und Yang in Einklang, das innere Gleichgewicht hergestellt, spricht man von der Harmonie im Menschen. Ist aber dieses Gleichgewicht gestört, bietet die TCM zahlreiche Therapieformen an, „um den Energiefluss positiv anzuregen und eine ganzheitliche Balance im Körper wieder herzustellen“. Liu bietet verschiedene Heilmethoden an: Akupunktur, Moxibustion (Erwärmungstherapie), Schröpfen, verschiedene Massageformen und Kräutertherapien.
www.akupunktur-zentrum-mainz.de


„Stille in der Bewegung – das ist Tai Chi“ schreibtRafaela Stein in einer der Broschüren, die in ihren Räumen ausliegen. Tai Chi ist Kampfkunst, ist Entspannung, ist Meditation. Leichte und fließende, weiche und schöne Bewegungsfolgen werden langsam und ohne Anstrengung ausgeführt. In chinesischen Parks kann man in den frühen Morgenstunden tausende Menschen beim Üben dieser Bewegungen beobachten. Aber auch in Mainz wird, wenn auch im Kleinen, Tai Chi unterrichtet.
Seit 13 Jahren leitet Rafaela Stein die Schule „Zhong Dao – Der mittlere Weg“ mitten in der Mainzer Neustadt. Ihre Zielgruppe sind „alle, denen es Spaß macht und die sich einen entstressteren Alltag erhoffen“. Tai Chi kann in jedem Alter erlernt werden. Wie schwer oder leicht die Übungen fallen, hängt von der Person selbst ab. Unterrichtet wird im Zhong Dao nach dem traditionellen Yang-Stil: Tai Chi Hand- und Waffenformen (Schwert, Säbel, Stock und Fächer) in Kursen für Anfänger, Fortgeschrittene und zum Schnuppern. Hinzu kommen Sonderveranstaltungen mit Gastdozenten und Workshops. Stein selbst blickt inzwischen zurück auf über 20 Jahre Tai Chi-Praxis und sagt von sich: „Ich lerne ja selbst noch immer.“

Fazit
Das chinesische Mainz ist facettenreicher, als man vermuten würde. Neben den zahlreichen Asiamärkten und -imbissen, die das Bild des Stadtzentrums prägen, findet man hochwertige und spezielle Angebote, die ein bisschen Tradition und Kultur Chinas vermitteln. Es lohnt sich, mehr als einen Blick zu riskieren.