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Mainz 05: Zerplatzte Mainzer Träume – Katerstimmung schon vor und zu Saisonbeginn

Kasper Hjulmand
von Mara Braun, Foto: Sascha Kopp

Es gibt Fußballfans, die kommen ins Schleudern, wenn sie die Trainer aufzählen sollen, die bei ihrem Verein in den letzten zehn Jahren die Seitenlinie auf- und abgetigert sind. Für einige ist es sogar schwierig, die Übungsleiter einer Saison zu nennen – man spricht nicht umsonst vom Trainerkarussell,

es ist oft ein Job mit kurzer Verweildauer. Anders geht es den Fans von Mainz 05, die sich über gut zehn Jahre weniger als eine Handvoll Namen merken mussten: Jürgen Klopp, Jørn Andersen, Thomas Tuchel. Himmlisch! Mit himmlisch sind die hiesigen Fußballzustände ohnehin prima beschrieben. Wer konnte schon prophezeien, dass der Verein am Saisonende 2013/2014 zum dritten Mal vor der Teilnahme an der Europa League steht? Oder dass in gut zehn Jahre ein Aufstieg, ein Abstieg, der Wiederaufstieg, ein DFB-Pokal-Halbfinale, zwei Trainer- Entdeckungen und ein neues Stadion passen? Eben: niemand.

Exit heaven here!
Umso härter traf die Fans am letzten Spieltag der Saison die Erkenntnis, dass es da jemanden gab, der diesem Fußballhimmel freiwillig den Rücken zukehren wollte: Thomas Tuchel. Der Abgang des erfolgreichen Trainers, vom Verein in der Entstehung lange geheim gehalten, um keine Unruhe in den Saisonendspurt zu bringen, kam überraschend und war entsprechend schmerzlich – wie jede Trennung, mit der man unfreiwillig konfrontiert ist. Was tröstet in der Situation? Sich klarzumachen, es war eine gute gemeinsame Zeit. Und zu wissen, Mainz war in den erfolgreichen Jahren trotz seiner prägenden Trainer nie ein Club, der um eben jene Übungsleiter kreiste, ist kein Trainer-, sondern ein Managerverein – und Christian Heidel hat, das mag banal klingen, ist aber sehr wahr, noch für jede Situation eine Lösung gefunden. Der Hut, aus dem Heidel in derlei Momenten sein Personal zaubert, hat mehr Untiefen als die Tasche von Mary Poppins – diesmal holte er daraus den Dänen Kasper Hjulmand hervor. In dessen erster Pressekonferenz war dem die Begeisterung für Fußball und den Job bei Mainz anzumerken: Hjulmand sprach über seine Spielphilosophie, gewährte Einblicke ins Private, plauderte über ein Bar-Besäufnis mit Jürgen Klopp und landete gerade bei jenen weich, die Tuchel für genial, aber unnahbar gehalten hatten. Musste der sich anfangs als „neuer Klopp“ bezeichnen lassen, sahen einige in Hjulmand die perfekte Symbiose aus Tuchel und Kloppo. So oder so, die Fanseele war einverstanden mit dem neuen Mann.

Blamage? Ihr spinnt wohl!
Wenige Wochen später ist der Start in die Saison vor der Saison auf zwei Bühnen missglückt – trotz Sieg im Hinspiel fliegt Mainz nach der Pleite in Griechenland gegen Asteras Tripolis aus Europa, eine Woche später unterliegt das Team nach einem nervenaufreibenden Fight in der ersten Runde des DFB-Pokals gegen Chemnitz. In solchen Momenten zeigt sich der Fluch der erfolgreichen Jahre, nämlich in Sachen Ansprüche: Wer hier empört von einer Blamage spricht, hat entweder vergessen, wo der Verein herkommt – oder es noch nicht miterlebt. Es ist keine leichte Aufgabe, mit neuem Trainer in die Saison zu starten, zumal, wenn der sich an die Bundesliga erst noch gewöhnen muss. Etliche Spieler haben die WM in den Knochen, die Saisonvorbereitung war wegen der Europa League entsprechend kurz. Die Mannschaft muss sich in dieser Konstellation und der neuen Situation erst finden. Das erklärt natürlich nicht die haarsträubenden Dinge, die teilweise in der Abwehr passiert sind und ist ein schwacher Trost dafür, nach drei Monaten Vorfreude nur zwei Spiele in Europa zu bestreiten. Es ist aber ein angebrachter Hinweis, auch darauf: Es wird keine leichte Saison. Umso wichtiger, dass sich die Fans an die Tugenden erinnern, die sie einst ausgemacht haben. Genau so selbstverständlich, wie von den Spielern Einsatz verlangt wird, sind die Anhänger gefordert: „Ob wir siegen oder verlieren“ ist nicht einfach die banale Zeile eines Liedes, das im Stadion geträllert wird, sondern die einzige Wahrheit, die im Fußball gilt: „Wir steh’n immer hinter dir“ – auf geht’s, in eine turbulente, wunderbare Saison.