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Ordensfrau der fünften Jahreszeit – Petra Wagner-Behrendt

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von Monica Bege, Fotos: Katharina Dubno

„Die Zugplakette als Plastikfigur zum Umhängen gibt es seit 1971. Davor war sie eine echte Plakette zum Anstecken. Man trug sie vom 11.11. bis Aschermittwoch“, berichtet Petra Wagner-Behrendt. „Unaufdringlich, dezent, aber wesentlich präsenter.“ Hat sich auch die Form geändert, der Zugplakettenverkauf dient seit jeher der Mitfinanzierung des Rosenmontagszuges. Anders die Kampagnenorden. Der Narr verdient sie sich durch sein Engagement. Heute werden sie auch vermehrt ehrenhalber verliehen. Manch Fastnachtsverein bedenkt seine Aktiven daher mit einer besonderen Ordenskollektion.

Närrisches Blut
Da ein Fastnachtsorden nicht vom Himmel fällt, kommt zur fünften Jahreszeit Petra Wagner-Behrendt ins Spiel. Seit über dreißig Jahren entwirft sie in ihrer Hechtsheimer Firma CIM – Creatives in Metall – diese Auszeichnungen. Sie nimmt sich Zeit für Gespräche, skizziert mit einem weichen Bleistift so lange auf Papier, bis es passt. Narrenblut müsse dafür nicht zwingend in den Adern fließen, aber es helfe schon, beantwortet sie die Frage nach wichtigen Voraussetzungen ihres kreativen Spezialgebietes. Geboren wurde sie an einem Aschermittwoch und kaum konnte sie gehen, fing sie an zu tanzen. 1961, mit sechs Jahren, wirbelte sie erstmals auf der Fastnachtsbühne umher, später kam klassisches Ballet hinzu. Die Spitzenschuhe hat sie heute noch. „So wie ich meinen Beruf liebe, habe ich es geliebt zu tanzen.“ Fast tägliches Training, Härte und Disziplin waren Erfüllung für die Seele. „Eine Musical- Schule wäre mein Traum gewesen“, sagt sie, „aber mein Vater hatte es nicht zugelassen.“

Von null auf 100 in vier Monaten
Die Hauptsaison im Ordensgeschäft beginnt Anfang Herbst, kurz vor Weihnachten hat sie Spitzengeschwindigkeit erreicht. Sind Feiertage nebst Silvestergeböller absolviert, darf das kurz darauffolgende 14 Tage währende chinesische Neujahrsfest nicht vergessen werden. Und bevor die asiatischen Maschinen ruhen, werden im Hechtsheimer Gewerbegebiet die passgenau sitzenden Termine auf Hochtouren koordiniert und abgearbeitet. In der Werkstatt mit ihren langen Arbeitstischen und hohen Regalen bekommen die bereits mit Farbe versehenen Kampagnenorden in Handarbeit ihr glitzerndes Swarovski-Strassstein-Finish. Dann noch Kordel oder Kette – fertig ist der Orden. Neben karnevalistischen Pins und Ohrringen stehen auch Standarten und Restaurationsarbeiten auf dem Programm.

2014-er Besonderheiten
„Metall ist nicht einfach nur kalt und hart. Man fühlt die unterschiedliche Zusammensetzung und kann sogar das Herstellungsverfahren heraushören“, Petra Wagner-Behrendt klopft gegen zwei unterschiedliche Orden. „Klingt auch anders. Die Kampagnenorden aus Übersee werden im Zinkdruckverfahren hergestellt, in Deutschland arbeitet man mit einem Schleudergussverfahren.“ Also gibt es noch Made in Germany? „Ja, das sind unsere Hausorden“, verweist Wagner-Behrendt auf die eigene Verkaufsserie mit jährlich wechselnden Motiven. „Seit 2003 wähle ich dafür eine Figur aus dem Fastnachtsbrunnen aus.“ Hundert Prozent deutscher Handarbeit hat neben Qualität und Preis auch ihre Sammler. Der 2014-er Hausorden ist längst im Umlauf und konnte nur ein Motiv haben: der blinde Liederdichter und Komponist Toni Hämmerle an seinem Klavier. In diesem Jahr hätte er seinen 100. Geburtstag gefeiert und vor genau einem halben Jahrhundert schrieb er mit dem singenden Dachdeckermeister Ernst Neger und der Erstaufführung von Humba-Täterä Geschichte. Komitee-, Jahres- oder Stadtorden, Vereins- und Jubiläumsabzeichen, dann noch besondere Auszeichnungen – eine kleine Wissenschaft, die mit militärischer Präzision und Ernsthaftigkeit auf die Kostümierung dekoriert wird. Und ganz ehrlich, vor Händedruck und ersten Worten kategorisiert der versierte Fastnachter sein Gegenüber zunächst am verliehenen Schmuckwerk. Helau!