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Rappeln im Karton – Die neue Spielzeit unter neuer Leitung an unserem Staatstheater

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von Dorothea Volz, Foto Sascha Kopp

Das Spielzeitheft 2014/15 ziert eine leere Kiste: Nicht, wie man meinen könnte, als Sinnbild leerer Kassen, sondern als Spielraum der Möglichkeiten. Wie wichtig Kisten für einen Neuanfang sind, weiß jeder, der schon einmal Umzugskartons schleppen musste. Markus Müller, der neue Intendant des Mainzer Staatstheaters, konnte seine in der Uferstraße bereits auspacken.

Anderthalb Jahre Pendelei finden damit ein vorläufiges Ende – nach 68 Fahrten zwischen der alten und neuen Wirkungsstätte, zwischen Oldenburg, wo er acht Jahre lang das dortige Staatstheater leitete, und Mainz. Sein neues Zuhause gefällt ihm sichtlich: Er schwärmt vom milden Klima, dem leckeren Essen, guten Wein und vom Anblick des Rheins. Und natürlich von seiner neuen Stelle, mit der sich für ihn ein Wunsch erfüllt hat. Denn unbekannt ist ihm das Haus nicht – in seiner Zeit als stellvertretender Intendant in Mannheim lockten ihn vor allem die Choreographien von Martin Schläpfer in die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt. Ganz anders, aber ähnlich strahlend sieht Müller die Zukunft der Mainzer Tanzsparte vor sich. Den Stern von tanzmainz sollen der neue Tanzdirektor Honne Dohrmann und der Haus-Choreograph Guy Weizmann aufsteigen lassen und so Mainz für das zeitgenössische Tanztheater nicht nur am nationalen Tanzhimmel fixieren.

Wirkungsvolles Theater in Stadt und Bahn
Auch den anderen Sparten weist das Spielzeitheft optimistisch verschiedenfarbige Sterne zu. An Selbstbewusstsein mangelt es Müller und seinem Team nicht. Der Konkurrenz aus Wiesbaden und Darmstadt, wo die Staatstheater mit der nächsten Spielzeit ebenfalls unter neuer Leitung die Saison beginnen, ist man freundschaftlich verbunden. Und die Frankfurter werden sich eben daran gewöhnen müssen, nach Mainz zu fahren, findet Müller. Zum Beispiel für Plafona Now, der Weiterentwicklung einer Chorographie von Sharon Eyal und Gai Behar. Die führt er beispielhaft an als wirkungsvolles Theater, das bewegt, vielleicht sogar verändert, und das sich, ganz ohne Worte, „den essenziellen Fragen unserer Zeit“ stellt. Verändert wird mit den ersten beiden Theaterangeboten des Schauspiels aber erstmal der Aufenthaltsort der Zuschauer: Für Evakuierung, eine Gemeinschaftsproduktion mit dem Frankfurter Mousonturm und dem Staatstheater Darmstadt, werden S-Bahnhöfe und -strecken bespielt. Vom 12. September bis 5. Oktober entstehen rund um die Linien S1, S8 und S9 Performances. Das gültige RMV-Ticket ersetzt die Theaterkarte. Für das Mainzer Theater gestaltet der Musiker und Performer Anton Berman die einzelnen Stationen. Auch die Regisseurin Sara Ostertag macht sich mit „In Arbeit: Neustadt“ auf, Neues im Bekannten zu entdecken: Das Projekt lädt die Mainzer zu einem Spaziergang ein, bei dem Bewohner der Neustadt und ihr Arbeitsalltag im Zentrum stehen werden. Und auch die bereits erwähnte Holzkiste wird hier wieder zum Einsatz kommen.

Neue Bühnen & Formate
Danach ist aber erstmal Schluss mit den Ausflügen außerhalb des Theaters: Perspektivwechsel sollen dann vor allem im Rahmen der neuen Inszenierungen und Projekte im Kleinen und Großen Haus erfolgen und durch die Neueröffnung der unterirdisch gelegenen Spielstätte U17, die bisher als Probebühne diente. Den hierfür notwendigen Umbau, wie auch das TANZMAINZ FESTIVAL, das im März 2015 stattfinden wird, sollen eingeworbene Sponsorengelder ermöglichen. Dennoch ist Müller überzeugt, dass solche Drittmittel das Problem der grundsätzlichen Geldknappheit nicht lösen können. Stadt und Land werden sich auch künftig überlegen müssen, was ihnen das Theater wert ist, denn dass es mehr Geld brauchen wird, da ist er sich sicher und blickt den künftigen Verhandlungen optimistisch entgegen. Als studierter The- aterwissenschaftler und Betriebswirt scheint er gut gewappnet. Organisator & Kommunikator Seine Kernaufgabe sieht Müller, der in einem „verrückten Theaterdorf“ im Allgäu, in Altusried, aufgewachsen ist, jedoch vor allem darin, „Menschen zusammenzubringen, die richtigen Themen zu stellen und Rahmenbedingungen zu schaffen, um Spielpläne und Linien zu entwickeln“. Zwar hat er sich auch schon einmal selbst als Darsteller und Regisseur versucht, dabei aber die Erkenntnis gewonnen, dass er das doch lieber denen überlässt, die es besser können. Als Netzwerker und Kommunikator will er eine Umgebung schaffen, die optimale Arbeitsbedingungen ermöglicht, dafür Abläufe und Ausnutzungen optimieren – und damit Freiräume für künstlerische Prozesse schaffen. Diese zu nutzen, das wird die Aufgabe des neuen Teams, der fünf Hausregisseure und des Ensembles. Den Ausgleich zu Diskussion, Überzeugungs- und Werbungsarbeit – auch, wenn er sie sichtlich gerne tut – sucht Müller beim Radfahren und Schwimmen. Oder eben doch wieder beim Gespräch, in entspannter Atmosphäre in einer der vielen Weinstuben. Wie sein Angebot zur Kommunikation angenommen wird, wird die neue Spielzeit zeigen. Beim Theaterfest am 6. September können die Mainzer die Kontaktaufnahme mit dem Neuen und seinem Team schon mal erproben.