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So wohnt Mainz: Das Sonnenhaus


Text: Monica Bege
Fotos: Frauke Bönsch

Mit rechtwinkligen Linien passt sich das freistehende Einfamilienhaus unauffällig in das Neubaugebiet auf den Gonsbachterrassen ein – von Solaranlagen auf den ersten Blick keine Spur. Bauingenieur Horst Neises, Entwickler und Bauherr des ersten Mainzer Sonnenhauses, hat es verstanden, moderne Architektur mit zukunftsweisender Technik dezent zu verbinden.
Die kubische Gebäudeoptik, extrem wenig Fensterfläche auf der Nordseite und die große Solarfassade auf der Südseite – mehr als ein extravagantes Stilelement. „24 Quadratmeter fangen Sonnenstrahlung ein und erwärmen das Wasser in den dahinterliegenden Rohrleitungen“, Energieberater Neises ist in seinem Element. „Bei flach stehender Wintersonne ist die Anbringung im 90-Grad-Winkel für die Heizung des Gebäudes wesentlich effektiver, als schräg aufgestellte oder auf Satteldächern montierte Module.“ 1.000 Liter umfasst der Warmwasserspeicher im Keller und direkt unter der Bodenplatte verläuft ein innovatives Schlauchsystem, das dem einer Fußbodenheizung gleicht: der Erdsolespeicher. Er speichert bis in die kalte Jahreszeit eingefangene Sonnenenergie. In Verbindung mit einer Wärmepumpe wird ein vollständig durch Sonnenenergie beheiztes Gebäude möglich – das bedeutet: null Emission. Aufgrund der konsequenten Südausrichtung des Gebäudes, der optimierten Gebäudehülle und der Solarverglasung kann an sonnigen Wintertagen sogar gänzlich auf Heizbetrieb verzichtet werden.

Alltag

Seit Februar 2011 wohnt Familie Neises in ihrem neuen Heim. Ebenerdig lädt ein großzügiger, lichtdurchfluteter Wohn- und Essbereich zum Wohlfühlen ein. Die geschmackvollen Mitbringsel aus fernen Ländern – Marion Neises arbeitete als Wirtschaftsjournalistin im Ausland – kontrastieren hervorragend mit den klaren Linien im Innenausbau. Einziges Relikt aus einer energetisch alten Zeit ist der auf dem Flohmarkt erstandene Kristalllüster über dem Esstisch. Auf dem schwarzen Klavier vor der polierten grauen Betonwand üben nicht nur die beiden Söhne Maximilian und Cassian, sondern manchmal auch der Vater – wenn er Zeit und Ruhe findet. „Im offenen Wohnkonzept macht man deutlich mehr mit den Kindern zusammen“, stellt Marion Neises fest. „Sie helfen gerne beim Kochen und schnipseln Gemüse klein.“ Aber: Ist die Sonne untergegangen, bedeutet Stromverbrauch den Bezug aus dem Netz. So achtet die Familie bei der Nutzung von Spül- und Waschmaschine auf Tagesbetrieb. Konsequent weitergedacht: Auf Elektrogeräte der Energieeffizienzklasse vom Typ A/A+ legen sie Wert und trafen gemeinsam die Entscheidung gegen ein stromfressendes Gefrierfach. „Eine Umstellung war es schon, aber es funktioniert“, stellt Marion Neises fest.

Zukunftsmusik

Die Photovoltaikanlage befindet sich auf dem Dach – von der Straße aus ist sie nicht zu sehen. „Produzierte Überschüsse werden in das Netz eingespeist. Bisher haben wir mehr produziert als verbraucht“, erklärt Horst Neises. Obwohl es Möglichkeiten der Stromspeicherung gibt, wartet er noch eine Weiterentwicklung in der Akkutechnik ab. Im letzten Schritt wird sich das Haus vom Stromnetz abkoppeln und vollkommen autark versorgen können. Bei ständig steigenden Energiepreisen eine verlockende Vorstellung. Ebenfalls in Planung: der Carport mit Photovoltaikanlage als Tankstelle für ein Elektroauto. Den selbst erzeugten und im Haushalt benötigten Strom mit eingerechnet, wird „Solar One“ gesamtenergetisch sogar zum Energiegewinnhaus. Der Computer im Heizungsraum dokumentiert die Verbrauchsdaten nicht nur für die Bewohner. Als Monitoring-Projekt werden die Daten an die Mainzer Stiftung für Klimaschutz und Energieeffizienz weitergeleitet.

Keine dicke Luft

Im ersten Obergeschoss summt hinter einer Tür leise die Lüftungsanlage, ihr Strombedarf ist minimal. Dicke silberne Schläuche laufen hier zusammen und sorgen für frischen Luftaustausch. Energie aus der Abluft wird dem Gebäude teilweise wieder zugeführt. Der eingebaute Elektrofilter ermöglicht eine starke Reduzierung der Staubbelastung, auch Feinstaub und Pollen filtert er aus. Natürlich entstehen gegenüber einem Standardhaus höhere Baukosten, jedoch amortisieren sie sich durch Energieeinsparung bereits nach 12 bis 15 Jahren. „Klimaschutz ist eine Investition in die Zukunft unserer Kinder“, begründet Marion Neises die Beweggründe der Familie, das zunächst kostenintensivere Sonnenhaus Wirklichkeit werden zu lassen. Und wie man sieht: Es funktioniert.