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Unter Dampf: Das ZDF und seine neue Sitcom „Lerchenberg“


von Ejo Eckerle

Das ZDF gönnt sich zum Fünfzigsten eine personelle Entschlackungskur. Da ist es gut, dass Sascha Hehn zurückkommt.
Vor einigen Jahren erschien in einer Berliner Stadtzeitung ein etwas derber Cartoon. Ein Strichmännchen, erkennbar als Arzt gezeichnet, lehnt im Türrahmen eines Wartezimmers und begrüßt seine Patientin mit den Worten: „Na, Frau Schmidt, wo brennt die Fotze?“ Darunter der Kommentar des Zeichners: Sascha Hehn darf alles! Und es stimmt, Alexander Josef Alberto, genannt „Sascha“, Hehn hat Narrenfreiheit, zumindest bei seinem Haussender, dem ZDF. Einen Mann wie ihn können sie dort jetzt gut gebrauchen, wenngleich jüngere Mitarbeiter womöglich stirnrunzelnd „Sascha… wer?“ fragen. In den 80er-Jahren, zunächst auf dem „Traumschiff“, machte Hehn eine bella figura als Schiffsoffizier, später als fescher Chirurg in der „Schwarzwaldklinik“, stets mehr an der jungen Assistenzärztin interessiert, als an unklaren Wundverhältnissen. Unter dem schlichten Titel „Lerchenberg“ spielt er sich nun quasi selbst – einen gealterten Schauspieler, der an den Türen der Anstalt kratzt, um eine neue, letzte Chance zu erhalten. Dabei trifft er auf die junge, idealistische Redakteurin Billie (Eva Löbau), die mit diesem Dinosaurier der Fernsehunterhaltung erstmal gar nichts anzufangen weiß. Die Sitcom „Lerchenberg“ wird ab dem 5. April jeweils freitags um 23 Uhr in vier Folgen im ZDF ausgestrahlt. Laut Sender nimmt sich bei „Lerchenberg“ nicht nur der Schauspieler selbst auf die Schippe. Die gesamte öffentlich-rechtliche Fernsehwelt bekäme ihr Fett weg …

Die guten alten Zeiten
Ein schwerfälliger Dampfer, so wird die zweitgrößte Fernsehanstalt Deutschlands gelegentlich auch genannt. Und im Bauch des Dampfers rumort es, so sehr, dass aufgebrachte Mitarbeiter sich zu einer historisch einmaligen Aktion entschlossen: Sie demonstrierten auf dem Gelände des Senders gegen die Sparbeschlüsse. In einer Resolution, die auf einer der letzten Personalversammlungen beschlossen wurde, heißt es: „An manchen Stellen hat die Arbeitsverdichtung unzumutbare Ausmaße angenommen. Nicht zuletzt wird der Betriebsfrieden immer stärker gefährdet. Deutlich wird, dass ein weiterer massiver Personalabbau nicht mehr möglich ist, ohne unseren öffentlich-rechtlichen Programmauftrag schwer und nachhaltig zu beeinträchtigen.“ Thomas Lückerath, Chefredakteur des Online-Mediendienstes DWDL, hat eine etwas andere Sicht auf die Situation: „Die Sozialisation vieler ZDF-Mitarbeiter ist eher, sagen wir, gemütlich. Das ist kein Vorwurf. Wenn man solche Arbeitsumfelder vorfindet, adaptiert man die Verhaltensweisen und sie werden irgendwann normal. Und wer sehr lange beim ZDF ist, der kennt es nicht anders und auch noch luxuriösere, gute alte Zeiten. So gesehen wird es immer stressiger …“

Sparen, aber wo?
Bis 2016 hat der Sender Zeit, die von der gefürchteten Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) geforderten 400 Stellen abzubauen. Und in welchem Bereich? Bei den 3.600 Festangestellten wird es schwierig. Sie genießen den Schutz des Arbeitsrechts. Eine Besonderheit sind die Angehörigen des so genannten „Zweiten Kreises“, im komplexen Kastensystem des öffentlichrechtlichen Rundfunks sind sie eine Art Zwitter. Einerseits gelten sie als „frei“, andererseits sind sie mit ihrem Arbeitsaufwand und ihren Verträgen so stark in den Sender eingebunden, dass sie einen quasi arbeitnehmerähnlichen Status genießen. Denn jeder freie Mitarbeiter, der bis zu einem Stichtag im Jahr 2009 seit mindestens vier Jahren für den Sender arbeitete, gehört dem so genannten „Zweiten Kreis“ an, an die 1.000 freie Mainzelmänner und –frauen. Arm dran sind jene, die zum dritten Kreis zählen, die erst vor wenigen Jahren ihre Arbeit aufgenommen haben. „Es ist völlig klar, dass, wenn betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden sollen, dort gekürzt wird, wo es arbeitsrechtlich am ehesten möglich ist“, kommentiert die stellvertretende Personalratsvorsitzende Brigitte Weissmann- Schmitt die Lage. Sollte es so weit kommen, würde es also vor allem jüngere Mitarbeiter treffen, die am Anfang ihres Berufslebens stehen. Irgendwas hat sich hier verändert, kommt es Sascha Hehn in den Sinn, während er die langen Flure des ZDF durchstreift. Egal, es kümmert ihn nicht weiter. Er hat weiß Gott attraktivere Drehorte in seinem Leben gesehen: Palmenstrände unter tropischer Sonne, die satten Wiesen des Schwarzwälder Glottertals, die imposanten Gipfel der Alpen – aber es sind ja nur ein paar Tage, dann geht es für ihn wieder hinaus aufs weite Meer. Die Tinte unter den Verträgen für die nächste „Traumschiff“-Staffel ist bereits trocken. Und wenn schon Dampfer, dann doch lieber gleich einen mit fünf Sternen, denkt er sich und wirft einen letzten Blick zurück auf diesen sonderbaren Hügel am Rande von Mainz.