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Am 27.11. beginnt der Weihnachtsmarkt. Fast wäre er dieses Jahr ausgefallen …

Weihnachtsmarkt3sp.jpg fürs web

Text David Gutsche    Foto Sascha Kopp

Der Weihnachtsmarkt fällt dieses Jahr aus. Das befürchtete zumindest bis vor Kurzem so mancher. Denn statt heimeliger Glühwein-Atmosphäre gab es Zoff hinter den Kulissen: Die Stadt musste alle Stände neu ausschreiben. Dabei kamen viele traditionelle Betreiber nicht mehr zum Zuge. Dementsprechend groß war die Aufregung, bis hin zur Sammelklage vor Gericht. Rettung aber in letzter Minute. Zum Ablauf der Ereignisse:

Die Wut der Abgewiesenen

Los ging es schon im letzten Jahr, kurz vor Weihnachten 2013. Da verschickte die Stadt im Auftrag des Wirtschaftsdezernates (Dezernent Christopher Sitte, FDP) den Bewerberaufruf an alle Schausteller und Marktbeschicker, ihre Bewerbungen für die Teilnahme am Weihnachtsmarkt 2014 bis 2016 abzugeben. „Die Stadt musste so handeln. Es gab einen Gerichtsbeschluss, künftig transparent(er) zu sein und auch Chancen für neue Bewerber einzuräumen – also nicht „immer die gleichen“ Zuschläge zu erteilen“, erzählt Stadtsprecher Ralf Peterhanwahr. So gingen Ende Januar dieses Jahres 293 Bewerbungen von 168 Beschickern für die verschiedenen Kategorien bei der Stadt ein. Das Platzangebot umfasst aber nur 90 Stände, also bewertete eine Jury aus Mitarbeitern der Verwaltung jede Bewerbung anhand eines Punkteschemas. Daraufhin erhielten 81 Beschicker vorläufige Zulassungen und 87 eine Absage – 32 davon bisher am Weihnachtsmarkt vertreten. Es kam also zum Eklat: Die Reaktionen der „Alten Abgewiesenen“ reichten von Fassungslosigkeit über Wut bis zur Existenz- Angst. Schaustellerin Christine Beutler-Lotz: „Mich macht diese Vergabepraxis traurig und wütend. Ich möchte der Jury nicht absprechen, dass sie es gut gemeint hat, aber es kann doch nicht sein, dass Betriebe, die seit der ersten Stunde dabei sind und die mit viel Engagement dafür gesorgt haben, dass der Weihnachtsmarkt in Deutschland weit vorn steht, keinen Stand bekommen.“ Peter Brümmendorf vom Amt für Wirtschaft und Liegenschaften wehrt sich gegen die Vorwürfe: „Ohne die Traditions-Beschicker wird es nicht gehen. Aber man muss auch neuen Anbietern die Chance geben, sich zu beweisen. Entscheiden Sie aber mal, warum der eine Crêpe-Stand besser zum Weihnachtsmarkt passen soll, als ein anderer.“

Gerichtsurteil gegen die Stadtverwaltung 

Es kam wie es kommen musste, 28 abgewiesene Beschicker legten Widerspruch gegen die Vergabe ein. Doch damit nicht genug: Die ganze Sache kam mitten im Sommer vor das Mainzer Verwaltungsgericht. Dezernent Sitte: „Ich begrüße es, dass ein einstweiliger Rechtsschutz- Antrag eingereicht wurde, denn mit der Entscheidung des Gerichts wird Klarheit geschaffen.“ Und das Gericht entschied tatsächlich, zugunsten der Marktbeschicker. Aber nicht etwa, weil diese ausgemustert wurden, sondern weil Sitte und sein Team „das Gebot der fairen und transparenten Verfahrensgestaltung“ nicht genügend umgesetzt und an alle Beteiligten kommuniziert hätten, zum Beispiel was die Informationen über die wichtigsten Vergabekriterien angeht. Ein Paukenschlag für die Stadtverwaltung und das mitten im Sommer. Was soll nun aus dem Weihnachtsmarkt werden? Eine Blamage für Sitte & Co.: „Ich hätte mir eine andere Entscheidung des Gerichts gewünscht. Aber schon aus Gründen des Rechtsfriedens akzeptiert die Stadt den Gerichtsbeschluss und wird keine Beschwerde einlegen.“

Tempo Tempo

Nur einen Tag später, am 15. August, fand ein Treffen mit den Beschickern statt, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Zudem schaltete die Stadt nun eine Kanzlei aus Frankfurt ein, die das Verfahren begleiten sollte. Die Kosten der Kanzlei liegen mittlerweile bei mehr als 20.000 Euro und waren bereits Thema der letzten Stadtratssitzung. Auch OB Ebling griff ein und nahm seinen Dezernenten in Schutz: „Wo Menschen arbeiten, werden Fehler gemacht …“ Zudem kritisierte er den Versuch von Schuldzuweisungen an die Mitarbeiter der Verwaltung: „Vor allem die FDP versuche alles, dem Rechtsamt den Schwarzen Peter in die Schuhe zu schieben, um ihren Beigeordneten Sitte aus der Schusslinie zu nehmen.“ Kurze Zeit später (um den 10. September) startete schließlich der neue Bewerberaufruf mit einer knappen Bewerbungsfrist. 253 Bewerbungen trudelten ein, 40 weniger als beim vorherigen Verfahren. Und so stand bereits am 6. Oktober fest: Die Bewertungskommission hat 266 Bewerbungen in 11 verschiedenen Angebotsgruppen geprüft. 95 Stände, also 5 mehr als anfänglich geplant, wurden verteilt, 29 davon mit neuen Beschickern. 66 Standbetreiber bleiben für die Mainzer Weihnachtsmarkt- Besucher also „alte Bekannte“. Das heißt anders herum: Knapp ein Drittel der alten Beschicker sind immer noch weg vom Fenster!

Alternative Hauptbahnhof

Zur Befriedigung soll jedoch beigetragen haben, dass die Beschicker sich unabhängig vom Verfahren auch um die weihnachtlichen Stände am Hauptbahnhof bewerben können. Dem Vernehmen nach kommen beim jetzigen Verfahren fast alle zum Zug, die gegen die erste Vergabe geklagt oder Widerspruch eingelegt hatten, etwa das Weingut der Stadt Mainz, die Glühweinstände von Margit Sottile- Barth oder die Waffelbäckerei von Helmut Bucher. Man sollte also meinen, jetzt sei alles in Butter. Doch das Theater geht weiter, denn nicht jeder Beschwerdeführer hatte den gewünschten Erfolg: So stellte eine Gesellschaft, die Süßwarenstände betreibt, vor Kurzem beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, der jedoch mittlerweilen aufgehoben wurde.

Da dem Verwaltungsgericht keine weiteren Anträge von leer ausgegangen Standbetreibern vorliegen, steht der Eröffnung des Weihnachtsmarktes am Donnerstag, 27. November nichts mehr entgegen. Die Liste der Schausteller und Marktbeschicker des Weihnachtsmarktes 2014 wird die Stadt jedoch erst am 10. November veröffentlichen, sagt Ralf Peterhanwahr von der städtischen Pressestelle. Und wir freuen uns derweil schon auf nächstes Jahr – dann wird noch einmal ausgeschrieben …